10.12.2003

Abbruch statt Abschluss

Eines der Ziele, die die baden-württembergische Regierung mit der Einführung der Langzeitgebühren verfolgte, war eine Reduzierung der Zahl der LangzeitstudentInnen. Dieses Ziel wurde erreicht: Deren Anzahl sank um 44 Prozent. Doch welchen Nutzen hat dies gebracht? Die Zahl der Studienabschlüsse ist nicht nennenswert angestiegen. Abbruch statt Abschluss: Dies ist die reale und messbare Wirkung der Langzeitgebühren. Tausende Menschen mussten aufgrund der Gebühren ihr Studium abbrechen – und die Hochschule ohne Abschluss verlassen. Was aus ihnen geworden ist, hat niemand untersucht. Die wahrscheinlichste Annahme ist, dass die Betroffenen sich nun mit einer abgebrochenen Ausbildung auf den Arbeitsmarkt begeben haben. Angesichts der Tatsache, dass es in Deutschland an AkademikerInnen mangelt, führen Strafmaßnahmen wie die Langzeitgebühren in die vollkommen falsche Richtung. Weitaus sinnvoller wäre es, die Betroffenen schlicht und einfach zu Ende studieren zu lassen. Doch dies war in Baden-Württemberg politisch nicht gewollt.

»Langzeitstudierende sind entgegen vielen Behauptungen eine Belastung für die Hochschulen, wenn sie noch ein Studium zu Ende bringen wollen. Dann müssen sie Bibliotheken nutzen, müssen den Laborplatz nutzen, dann wollen sie eine Diplomarbeit machen.«

So äußerte sich der ehemalige baden-württembergische Wissenschaftsminister von Trotha im dortigen Landtag am 15. Juli 1998. In der Tat belastet jedes Examen die Ressourcen der Hochschulen. Konsequent weiter gedacht, ginge es ihnen am besten, wenn niemand mehr eine Prüfung ablegen würde – besser als von ihren ProtagonistInnen selbst lassen sich Langzeitgebühren kaum mehr ad absurdum führen.

Baden-Württemberg kassiert pro Jahr ca. 10 Millionen Euro durch die Langzeitgebühren. Die Hochschulen profitieren davon nicht: Verschiedene Sparpakete im Wissenschaftshaushalt haben in Baden-Württemberg gleichzeitig vom Volumen her größere Einschnitte mit sich gebracht. Der ehemalige bayerische Wissenschaftsminister Hans Zehetmair (CSU) hat wiederholt darauf hingewiesen, dass Studiengebühren ein Nullsummenspiel darstellen, denn eventuell eingenommene Gelder würden den Hochschulen auf der Stelle wieder andernorts entzogen (Die Woche, 22. Oktober 1999). Somit verbleibt letztendlich eine Geldspritze für den Landeshaushalt, die tendenziell im Umfang abnimmt – und von einer Personengruppe bezahlt wird, die ohnehin, wie geschildert, mit genügend Problemen zu kämpfen hat. Auch in Zeiten knapper Kassen lässt sich eine solche unsoziale Politik nicht rechtfertigen, zumal alle übrigen Effekte deutlich negativ ausfallen.


Aktionsbündnis gegen Studiengebühren - http://abs-nrw.de/argumente/langzeit/0164.html - Ausdruck erstellt am 21.06.2006, um 08:35:16 Uhr