23.02.2005

Hochschulzugang und Partizipationsrechte

Es ist unbestritten, dass es unterschiedliche Motive für die Aufnahme eines Hochschulstudiums gibt. Daraus folgt, dass unterschiedliche Angebote nachgefragt werden. Durch die Schaffung eines Bildungsmarktes bei Einführung der Gutscheinmodelle sind die auf Nachfrage angewiesenen Hochschulen demnach verpflichtet, verschiedene Angebote zu schaffen. Eine formale Diversifizierung erfolgt. Unterschiedliche Angebote wiederum führen in der Marktlogik zwangsläufig zu unterschiedlichen Preisen. Wäre dies nicht der Fall, würden alle StudentInnen zu der »besten« Hochschule mit dem besten Angebot gehen. Da die betroffene Hochschule ihre Qualität nur halten kann, wenn ein gewisses Lehrenden-Lernenden-Verhältnis nicht überschritten wird, muss eine Zulassungsschranke eingeführt werden. Diese Schranke muss allerdings den Finanzbedarf der Hochschule berücksichtigen. Eine Schranke bedeutet in der Logik der Bildungsgutscheine, dass weniger NachfragerInnen auch Mindereinnahmen mit sich bringen. Was bietet sich in diesem Modell als Schranke also besser an, als den Preis zu variieren? Es wird zu Hochschulen mit dem Qualitätsmerkmal »billig« und zu welchen mit dem Merkmal »hohe Qualität der Lehre« kommen. Zusätzlich führt das Bildungsgutscheinsystem zu einer Unter- oder Nichtfinanzierung von »schlechten«, also weniger nachgefragten Hochschulen – bis hin zu deren Schließung und dem damit verbundenen Wegfall von Studien- und Arbeitsplätzen.

Die Systemänderung von einem öffentlichen Bildungssystem hin zu einem durch Marktmechanismen gesteuerten Angebots-Nachfrage-System führt auf Dauer zwangsläufig zu den beschriebenen Diversifizierungen in Preis und Leistung, so dass die Qualität der eigenen Bildung von der individuellen finanziellen Situation abhängt. Wenn die Hochschulen also über die nachfrageorientierte Hochschulfinanzierung ausgestattet werden sollen, dann werden sie gezwungen, sich auf Marktmechanismen einzulassen.

Der Markt kann keine Partizipationsmöglichkeiten schaffen. Der (immer nur relative) Grad an gesellschaftlicher Freiheit ergibt sich aus dem Zusammenwirken von sozialen Rechtsansprüchen, politischen Partizipationsmöglichkeiten und natürlich auch Geld. Diese verschiedenen Steuerungsmedien – Recht, Politik und Geld – sind nicht gegenseitig ersetzbar. Studiengebührenkonzepte wollen jedoch die heutige Stellung von StudentInnen, die durch spezifische mitgliedschaftliche Rechtsansprüche und politische Mitbestimmungsgarantien innerhalb der Hochschule geprägt ist, perspektivisch durch eine Marktbeziehung zwischen VerkäuferInnen und KundInnen ersetzen. Dies ist identisch mit einem Abbau an Rechtsansprüchen und politischer Beteiligung. Gemeinsamer Nenner der Bildungsgutschein- und Studiengebührenmodelle ist daher, den Hochschulzugang durch ein Auswahlrecht der Hochschulen zu regulieren, und zwar in dem Sinne, dass eine formale Vertragsfreiheit der marktgesteuerten Hochschulen bestehen muss, wenn es um die Frage der Zulassung einer/s Studierenden geht (vgl. etwa Stifterverband/CHE 1998, S. 21 und ExcellenTUM 2003, S. 79). Dies ist keineswegs eine willkürliche und schikanöse Maßnahme, sondern die logische und zwingende Konsequenz einer Marktbeziehung, welche formale Vertragsfreiheit bei allen Beteiligten voraussetzt.

Letztlich bewirken Bildungsgutscheine die weitere Demontage der Gremienhochschulen, da die BildungsanbieterInnen in ihrer Funktions- und Arbeitsweise zu profitorientierten Unternehmen umgestaltet werden. Hier geht es nicht um die demokratische Aushandlung gesellschaftlich relevanter Lehre und Forschung, sondern um eine KundInnenbeziehung. Erwarten kann der/die KundIn eine Ausbildung, die als Investition in das eigene Humankapital verstanden wird. Je besser diese Ausbildung ist, desto größer ist der zu erwartende return on investment, also das zu erwartende spätere Einkommen (vgl. Himpele 2003). Leitbild ist das des »Unternehmers seiner eigenen Fähigkeiten« (Peter/Rünker/Rünker, 2001, S. 14). Die Stellung der StudentInnen wäre selbst gegenüber der heutigen Gruppenhochschule mit ihren rudimentären Mitbestimmungsmöglichkeiten deutlich einflussärmer. Als KundInnen wären sie nicht souveräner, sondern abhängiger von einer fremdbestimmten bzw. sich anonym vollziehenden Bildungsökonomie. Dies ist in sich schlüssig. KundInnen bestimmen eben nicht die Geschäftspolitik.


Aktionsbündnis gegen Studiengebühren - http://abs-nrw.de/argumente/studienkonten/0130.html - Ausdruck erstellt am 11.10.2006, um 14:53:59 Uhr