Liebe Kommilitoninnen, liebe Kommilitonen,
die Verfahren der einzelnen Hochschulen beim Versand der Bescheide unterscheiden sich stark. Viele Hochschulen versenden Bescheide, ohne die Studienkonten auf Sonderfälle (Kindererziehung, Gremienarbeit...) angepasst zu haben. Daher wird es
zahlreiche fehlerhafte Bescheide geben. Wir haben hier die wichtigsten Fragen rund um die rechtlichen Schritte für Euch zu beantworten versucht - nach bestem Wissen und Gewissen aber ohne Gewähr.
1. Fehlerhafte Bescheide
Fehlerhafte Bescheide liegen dann vor, wenn entweder eine falsche Studiendauer vorliegt oder Bonussemester nicht berücksichtigt worden sind (z.B. aus Gründen der Kindererziehung, Krankheit, Behinderung, Gremienarbeit, Exmatrikulation...), Ihr also auch laut Gesetz noch nicht zahlen müsstet. Wenn Ihr einen inhaltlich fehlerhaften Bescheid bekommt, dann müsst Ihr auf jeden Fall fristgerecht Widerspruch einlegen. Ihr könnt dazu das Formular des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren (ABS) und des Landes-ASten-Treffens (LAT) verwenden. Dieses befindet sich in der Mitte des Heftes, liegt im AStA aus und kann unter www.absnrw.de heruntergeladen werden. Ihr solltet den Widerspruch dann so abändern, dass deutlich wird, warum Ihr Widerspruch einlegt und die entsprechenden Belege beifügen (etwa: Geburtsurkunde des Kindes).
2. Formal korrekte Bescheide
Darüber hinaus gibt es formal korrekte Bescheide, d.h. sie entsprechen dem Studienkonten- und -finanzierungsgesetz. Auch gegen diese Bescheide solltet Ihr, am besten mit dem ABS-Formular, Widerspruch einlegen. Wenn Ihr keinen Widerspruch einlegt, dann akzeptiert Ihr den Bescheid und bekommt selbst in dem Fall, dass wir vor Gericht siegen das Geld nicht zurück.
3. Aufschiebende Wirkung, oder: Muss ich trotz des Widerspruches die 650 Euro zahlen?
Wenn eine Behörde von einem/einer BürgerIn etwas verlangt, dann hat ein Widerspruch des/der Bürgers/BürgerIn grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Aufschiebende Wirkung bedeutet, dass die Behörde aus dem eigenen Bescheid keine für den/die BürgerIn negativen Konsequenzen ziehen darf. Wer also nach einer behördlichen Aufforderung, die Garage abzureißen, Widerspruch einlegt, muss behördliche Konsequenzen erst einmal nicht befürchten - etwa dass der Bagger kommt. Aber es gibt Ausnahmen. Dass ein Widerspruch gegen polizeiliche Aufforderungen meist keine aufschiebende Wirkung hat, bekam mancheR u.U. schon zu spüren. Gleiches gilt, wenn man zu Gebühren herangezogen wird. Auch hier hat der Widerspruch erst einmal
keine aufschiebende Wirkung. Diese muss erst angeordnet werden. Deshalb steht im Widerspruchsformular ein Satz, mit dem die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs beantragt wird. Erst wenn die Hochschule die aufschiebende Wirkung anordnet, entfällt für die Dauer des Widerspruchsverfahrens die Zahlungsverpflichtung. Das sollte jedeR beantragen, der/die völlig klamm ist (alle anderen können dies natürlich auch tun). Wird der Antrag abgelehnt oder droht die Hochschule mit Exmatrikulation kann die Anordnung der aufschiebenden Wirkung beim Verwaltungsgericht beantragt werden. Dazu braucht man formal keinen Anwalt. Man geht jedoch bereits mit dem Antrag ein gewisses Kostenrisiko von etwa 12,50 EUR ein. Wer will kann das im Internet nachrechnen lassen: http://www.jusline.de/js_framesets/gerichte_kostengkg.html[1] (Beträge sind zwar in DM, aber als Näherungswerte brauchbar) Das Verwaltungsgericht nimmt dann eine Interessensabwägung vor, die sich zunächst an der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Gebührenbescheids orientiert. Nur mit der Erklärung man habe kein Geld kommt man hier also nicht weiter.
Die ASten werden natürlich auch Mustereilverfahren durchführen.
4. Wie lang sind die Fristen?
Die Widerspruchsfrist beträgt, wie auf dem Gebührenbescheid angegeben, einen Monat. Wichtig ist aber, dass ein normal zugestellter Brief erst drei Tage nach dem Poststempel als bekannt gegeben gilt, und erst ab da die Frist läuft. Geht der Bescheid später als nach drei Tagen ein, dann kommt es auf dieses Datum an.
Beispiel: Der Bescheid vom 11.12.2003 (Datum des Bescheides) geht dem Studierenden am 13.12.2003 zu. Er trägt das Datum des Poststempels vom 12.12.2003. In diesem Fall gilt der Bescheid am 15.12.2003 als bekannt gegeben. Die Frist endet also am 15.01.2003. An diesem Tag muss der Widerspruch bei der Hochschule eingegangen sein. Ist der entsprechende Tag ein Samstag, Sonn- oder Feiertag, endet die Frist erst am folgenden Werktag.
5. Was ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand?
Wer Fristen aus triftigem Grund versäumt, z. B. weil er/sie aus Urlaubsgründen den Gebührenbescheid zu spät erhalten hat, kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen. Beispiel: Der Studierende kommt am 11.01.2004 aus einem zwei monatigem Praktikum zurück und findet einen Bescheid vom 5.12.2003 mit dem Poststempel vom 06.12.2003. Dieser Bescheid galt am 09.12.2003 als eingegangen, die Frist war demnach am 09.01.2004 abgelaufen. Der/die Studierende muss nun eine Wiedereinsetzung beantragen. Dabei ist folgendes zu beachten: Es gilt eine Frist von zwei Wochen nach Wegfall des Grundes, weshalb man nicht eher Widerspruch eingelegt hat. Wer also am 11.01.2004 aus dem Praktikum zurückkehrt, muss diesen Antrag spätestens bis zum 25.01.2004 stellen. Außerdem muss man innerhalb dieser zwei Wochen dann die Einlegung des Widerspruch gegen den Bescheid nachholen. Am besten macht man das gleichzeitig. Außerdem müssen die Tatsachen glaubhaft gemacht werden, weshalb man nicht rechtzeitig Widerspruch einlegen konnte. Das kann bereits bei dem Antrag über die Wiedereinsetzung erfolgen oder aber später, also auch nach der Frist von zwei Wochen. Man muss also dann ausführen, dass man im Praktikum/Urlaub o.ä. war und das belegen (z.B. durch Zugtickets). Ein Antrag könnte also wie folgt lauten: Hiermit lege ich gegen den Gebührenbescheid vom 05.12.2003 Widerspruch ein. Gleichzeitig beantrage ich, mir Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ich bin erst am 11.01.04 aus meinem Praktikum zurückgekehrt, das ich Ende November begonnen habe. Flugtickets füge ich bei. Ich konnte deshalb nicht rechtzeitig Widerspruch gegen den Gebührenbescheid einlegen.
Für die Klagefrist gilt: Sie beträgt gleichfalls einen Monat und beginnt mit der Zustellung des Widerspruchsbescheides. Die Zustellung erfolgt förmlich. Hier kommt es auf den tatsächlichen Zugang an. Wird der Widerspruchsbescheid etwa mit Postzustellungsurkunde zugestellt, dann erhält man - wenn man bei der Zustellung nicht zu Hause ist - einen Benachrichtigungszettel. Die Zustellung ist hier bereits erfolgt, wenn der Zettel im Briefkasten liegt.
6. Was sind Musterverfahren?
Die ASten in NRW koordinieren die Klagen gegen das Studienkonten- und -finanzierungsgesetz. Wir haben für alle sieben Verwaltungsgerichtsstandorte in NRW (Aachen, Arnsberg, Düsseldorf, Gelsenkirchen, Köln, Minden und Münster) "MusterklägerInnen" für die Standardfälle ausgesucht. Diese MusterklägerInnen werden anwaltlich vertreten, so dass Ihr Euch ggf. nur an diese Verfahren "dranhängen" müsst. Auf dem Musterwiderspruch bitten wir die Hochschulen daher, zunächst keine Widerspruchsbescheide zu versenden. Damit soll der Aufwand für alle möglichst gering gehalten werden.
7. Was ist der Musterwiderspruch?
Unser Anwalt hat ein Musterwiderspruchsformular entworfen. Ihr findet dieses unter abs-nrw.de und in dieser Rückmeldung. Das Musterformular liegt darüber hinaus im AStA aus. Am Ende enthält der Musterwiderspruch folgenden Passus: "Sollten Sie meinen Widerspruch nicht für begründet erachten und ihm nicht in vollem Umfang abhelfen bitte ich darum, über meinen Widerspruch zunächst noch nicht zu entscheiden. Mit Unterstützung der Allgemeinen Studierendenausschüsse (ASten) der Hochschulen werden derzeit vor den Verwaltungsgerichten des Landes Nordrhein-Westfalen Klageverfahren und Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes geführt. Ich halte es für sinnvoll, wenn wir zunächst den Ausgang dieser Klageverfahren abwarten. Nennenswerte Nachteile entstehen der Hochschule dadurch nicht, da ich die Studiengebühren zunächst gezahlt habe. Es können so für beide Seiten aufwendige Klageverfahren vermieden werden." Damit werden die Hochschulen gebeten, den Widerspruch nur zu behandeln, wenn sie ihm stattgeben. Dies machen wir deshalb, weil der Aufwand so am geringsten gehalten wird. Wenn sich die Hochschule darauf einlässt, dann bekommt ihr keinen Widerspruchsbescheid und müsst entsprechend auch nicht Klage einreichen.
8. Was ist ein Widerspruchsbescheid?
Wenn sich die Hochschule nicht darauf einlässt, was abzuwarten bleibt, Euren Widerspruch im Falle einer Ablehnung bis zur Gerichtsentscheidung liegen zu lassen oder wenn Ihr einen anderen Widerspruch formuliert habt als den Musterwiderspruch, dann bekommt Ihr einen Widerspruchsbescheid. In diesem steht, dass Euer Widerspruch als unbegründet erachtet wird. Wenn Ihr weiterhin an den Verfahren dran bleiben wollt, müsst Ihr dann fristgerecht Klage erheben. Wenn nicht, dann ist die Sache für Euch nach Zahlung der Studiengebühren erledigt, Ihr habt aber auch kein Anrecht auf Rückzahlung des Geldes im Falle eines Klagegewinns in den Musterprozessen.
9. Was ist ein Abhilfebescheid?
Wenn Ihr einen Abhilfebescheid erhaltet, dann kann die Behörde Eurem Widerspruch abhelfen, d.h. sie gibt Euch recht.
10. Welche Kosten entstehen mir?
Der Widerspruch kostet Euch nichts (abgesehen von der Briefmarke, dem Papier und dem Briefumschlag). Wenn die Hochschule sich darauf einlässt, Euren Widerspruch erst dann zu behandeln, wenn die Musterverfahren abgeschlossen sind, dann entstehen keine weitere Kosten. Sendet Euch die Hochschule vor Abschluss der Verfahren einen Widerspruchsbescheid, so müsst Ihr Klage einreichen. Wir werden unter abs-nrw.de sobald die Musterklagen eingereicht sind Musterformulare bereitstellen und die Gerichte bitten, das Verfahren nicht zu behandeln, bis die Musterverfahren abgeschlossen sind. Darauf lassen sich die Gerichte in so gut wie allen Fällen ein. Dann entstehen -wieder abgesehen von Briefmarke und Co. -keine Kosten. Nach dem Abschluss der Musterverfahren wird das Gericht die Verliererseite anschreiben. Sollten unsere Musterverfahren gewonnen werden, dann werden die Hochschulen angeschrieben mit der Bitte, die vergleichbaren Fälle ebenso zu behandeln. Sollten die Musterverfahren verloren werden, dann wir das Gericht Euch fragen, ob Ihr die Klage aufrecht erhalten wollt. In diesem Moment solltet Ihr die Klagen zurücknehmen, da ansonsten Kosten entstehen.
Wenn sich das Gericht nicht darauf einlässt, Euer Verfahren ruhen zu lassen, kann beantragt werden, einen Entscheid durch Gerichtsbescheid zu erlassen. Im Falle einer Niederlage entstehen dann Kosten in Höhe von 45 Euro. Sollte es zu einer mündlichen Verhandlung kommen, dann können Gerichtskosten in Höhe von 157,50 Euro entstehen. Da sich die Hochschulen i.d.R. keine Anwälte nehmen, entstehen keine Anwaltskosten. Aber keine Bange: Gerichtskosten entstehen in einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht grundsätzlich erst dann, wenn ein Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt wird. Bis zur Ansetzung einer mündlichen Verhandlung entstehen grundsätzlich keine Kosten und man kann die Klage jederzeit zurücknehmen. Die Ansetzung einer mündlichen Verhandlung dauert meist Jahre. Nach den von uns eingeleiteten Eilverfahren können wir die Erfolgsaussichten der Klageverfahren ggf. neu beurteilen.
Solltet Ihr Mitglied in einer Gerwerkschaft sein so erkundigt Euch, ob diese eine entsprechende Rechtschutzversicherung anbietet.
Nochmal: Es ist gut möglich, dass die Hochschulen Euch bis zum Abschluss der Gerichtsverfahren keinen Widerspruchsbescheid zukommen lässt, da es für beide Seiten einfacher ist, die Sachen erst einmal ruhen zu lassen.
Achtung: Zum 1.07.04 wird das Gerichtskostengesetz geändert. Weitere wichtige Informationen in einem Schreiben unseres Anwaltes hier[2].
11. Wann muss ich Klage einlegen?
Wenn Ihr einen Widerspruchsbescheid erhalten habt, dann könnt Ihr vor dem Verwaltungsgericht klagen. Wir werden unter abs-nrw.de Formulare bereitstellen, in denen wir das Gericht bitten, Eure Klage nicht zu behandeln, bis die Musterklageverfahren abgeschlossen sind. Wenn sich das Gericht darauf einlässt entstehen zunächst keine Kosten.
12. Kann ich mich exmatrikulieren?
Wenn Ihr einen Bescheid erhalten habt und Euch nun exmatrikulieren wollt, dann ist der sauber Weg, sich erst zu exmatrikulieren und dann Widerspruch gegen den Bescheid einzulegen, Begründung: Exmatrikulation.
Klemens Himpele und Jana Schultheiss
(Bildungspolitikreferat AStA Uni Köln)
Links:
[1] http://www.jusline.de/js_framesets/gerichte_kostengkg.html
[2] http://abs-nrw.de/aktuelles/0150/