13.05.2006

Kleine Anfrage im Bundestag bestätigt:

Langzeitstudiengebühren belasten sozial Schwache

„Wer Kinder erzieht, weniger reiche Eltern hat oder sich im Studium erst orientieren muss, wird vom Staat abgestraft“, so kommentierte Jochen Dahm, Geschäftsführer des Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS) heute in Berlin die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Linksfraktion nach der sozialen Situation von Studierenden, die die Regelstudienzeit überschritten haben. Dahm sah die Position des ABS bestätigt: „Nur ein komplett gebührenfreies Studium ist sozial gerecht.“ Er schloss sich der Forderung der Linksfraktion, nach Ausbau und Weiterentwicklung des BAföG an.

 Bereits gestern hatten unter Bezug auf eine Information von „Heute im Bundestag“ einige Agenturen fälschlich "Langzeitstudenten kommen meist aus gehobener sozialer Schicht" gemeldet. Dabei wurde jedoch die Gewichtung zwischen den unterschiedlichen Gruppen nicht berücksichtigt.
  Nele Hirsch, Bildungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE erläuterte: „Die Antwort der Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage zeigt beim genauen Hinschauen, dass insbesondere Studierende aus niedrigeren sozialen Schichten mehr Zeit für ihr Studium aufwenden. Sie sind unter den Langzeitstudierenden mit 14 Prozent überproportional stark vertreten. Ihr Anteil in der gesamten Studierendenschaft liegt nur bei 12 Prozent. Bei den Studierenden aus den oberen sozialen Schichten zeigt sich das gegenteilige Bild: Ihr Anteil unter den Langzeitstudierenden beträgt 57 Prozent, während sie an der gesamten Studierendenschaft 62 Prozent stellen.“

Zudem zeige die Anfrage, dass Studierende die Kinder erziehen, Studierende die den Studienort oder das Studienfach gewechselt haben und ehemalige BAföG-EmpfängerInnen überproportional in der Gruppe der Langzeitstudierenden zu finden sind. Die Antwort der Bundesregierung wird in den kommenden Tagen unter http://dip.bundestag.de/btd/16/013/1601382.pdf[1] veröffentlicht.

Das ABS sieht sich in seiner Argumentation gegen Langzeitstudiengebühren bestätigt. Bereits im Band 3 seiner Schriftenreihen „Gebühren für »Langzeit«-Studierende? Fakten zur Debatte“[2] hatte das ABS gezeigt, dass längere Studienzeiten in der Regel nicht den Studierenden anzulasten sind.

Vielmehr sind für längere Studienzeiten zum einen hochschulinterne Faktoren und zum anderen die unzureichende Situation der Studienfinanzierung verantwortlich. Mögliche hochschulinternen Faktoren hatte der Wissenschaftsrat schon 2001 formuliert: "unzureichende Organisation und Übersichtlichkeit des Studiums, mangelnde Unterstützung und Betreuung der Studierenden durch die Lehrenden, mangelnde Qualität der Lehre, fehlende Abstimmung von Studienzielen und Prüfungsanforderungen, insbesondere in Studiengängen mit staatlichen Examina, unterschiedlich ausgeprägte Fachkulturen und fehlende Kompatibilität zwischen den Anforderungen einerseits und der Realisierungsmöglichkeit im Studium andererseits“ (Zur Quelle hier)[3]

Die mangelnde Situation der Studienfinanzierung wird durch die regelmäßigen Sozialerhebungen des Deutschen Studentenwerkes[4] zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Studierenden belegt. So zeigt sich unter anderem, dass nur 1% aller Studierenden nur vom BAföG leben können, zwischen Höchstförderbetrag des BAföG und den durchschnittlichen Ausgaben aller Studierenden eine Diskrepanz von über 180 Euro klafft und 2/3 Drittel aller Studierenden neben dem Studium jobben müssen. Lebens- und Förderwirklichkeit sind zuletzt vor allen durch die wiederholte Nichtanpassung der Einkommens- und Freibetragssätze an Inflation und steigenden Lebenshaltungskosten aus dem annähernden Gleichgewicht geraten.



Links:
[1] http://dip.bundestag.de/btd/16/013/1601382.pdf
[2] http://www.abs-bund.de/downloads/abs-broschueren/0035/
[3] http://www.wissenschaftsrat.de/texte/4770-01.pdf
[4] http://www.sozialerhebung.de

Aktionsbündnis gegen Studiengebühren - http://abs-nrw.de/presse/1812.html - Ausdruck erstellt am 11.10.2006, um 13:46:23 Uhr