13.05.2005

Die »Dummschwätzer« wehren sich

Studentenproteste gegen Studiengebühren/Kritik an Polizeieinsatz in Hamburg

 Neues Deutschland 13.05.05


Von Andreas Grünwald

Bundesweit demonstrierten in den letzten Tagen Studenten gegen die Einführung von allgemeinen Studiengebühren. In Hamburg attackierte die Polizei die protestierenden Studierenden. Die wehren sich nun.
Im »Summer of Resistance« – zu dem ein Aktionsbündnis bereits im Frühjahr aufgerufen hatte – fand die bisher größte Demonstration in Stuttgart statt: 8000 Studierende aus allen Teilen Baden-Württembergs waren in der letzten Woche gekommen. Auf Vollversammlungen waren zuvor Blockaden und Streiks beschlossen worden. Aktionen gab es auch in Köln, Bremen, Regensburg, Marburg, Lüneburg, Karlsruhe, Frankfurt (Main), Flensburg, Gießen, Mannheim und Hannover. Auch in Halle und Potsdam werden Aktionstage vorbereitet.
Fast täglich blockieren in Hamburg Studenten das zentrale Verwaltungsgebäude der Uni. Dabei waren sie wiederholt von der Polizei eingekesselt worden. Der AStA der Hochschule sprach von »Jagdszenen auf dem ganzen Unigelände«. Das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS) kritisierte scharf das Vorgehen der Polizei und griff den Präsidenten der Universität Hamburg, Jürgen Lüthje, an. Sascha Vogt, Geschäftsführer des ABS, erklärte: »Es kann nicht sein, dass Studierende, die friedlich gegen die Einführung von Studiengebühren demonstrieren, derart heftig attackiert werden. Insbesondere ist die Haltung des Universitätspräsidenten in diesem Zusammenhang mehr als fragwürdig. Sollte er diesen Einsatz so angefordert haben, wäre das aus unserer Sicht ein Rücktrittsgrund.«
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Januar gegen ein bundesweites Verbot von Studiengebühren laufen in einigen Bundesländern die Vorbereitung für die Erhebung solcher Gebühren. »Viele könnten sich dann ein Studium nicht mehr leisten, wenn sie gezwungen wären, 500 Euro pro Semester zu berappen«, kritisiert Sascha Vogt. Für Stephanie Schröder vom AStA der Uni Münster ist das »soziale Ausgrenzung«. Im NRW-Wahlkampf hatte sie auch SPD und Grüne kritisiert, durch Gebühren für Langzeitstudenten, die Debatte mit ausgelöst zu haben.
Viele der studentischen Akteure sammeln erstmals politische Erfahrungen. Es ist eine neue Protestgeneration. Als es bei der Demo in Stuttgart nicht gleich losging, Formalitäten waren noch nicht abgestimmt, skandierten plötzlich Tausende: »Wir wollen losmarschieren«. Als Finanzminister Stratthaus (CDU) erste Demonstranten zuvor als »ungebildetes Pack« und »Dummschwätzer« titulierte, waren viele schockiert.
Die Proteste sind vielfältig: In Freiburg campieren Studenten im Uni-Rektorat, in Stuttgart besetzte man einen Radiosender. »Wir können alles – außer Hochschulpolitik«, hieß es in Anspielung auf eine Imagekampagne der Landesregierung. Zuvor hatte man die Altstadt mit Unterschriftenlisten eingekreist. Schwarze T-Shirts trugen die Studenten in Stuttgart. Gelb hingegen ist die Protestfarbe in Hamburg. Während die einen Protestsongs im Rapp-Stil verfassen, machen andere Pantomime. Mit 12000 Postkarten will man in Köln Gastronomiebetriebe beliefern. In Kiel senden Aktive Protest-Faxe. In Jena gibt es ein »Bildungsasylcamp« und in Flensburg ein Camp mit dem Motto »Wohnst Du noch oder campst Du schon?«. Auch in Leipzig fand gestern eine erste Vollversammlung statt, um Aktionen zu beraten. Diese Vielfalt macht stark, sagte Studentenvertreter Heino Windt auf einer Versammlung in Hamburg unter starkem Beifall.
Doch auch vernetzte Aktivitäten sind geplant. Am 2. Juni mit überregionalen Demos in Frankfurt (Main), Hannover (Norddemo) und Halle – dort für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Einen Tag vor der Landtagswahl wollen die Studierenden hingegen in mehreren Orten in Nordrhein-Westfalen ihren Unmut über die Hochschulpolitik kund tun. Für heute ist eine Demo in Köln angekündigt.


Aktionsbündnis gegen Studiengebühren - http://abs-nrw.de/presse/presseschau/0016.html - Ausdruck erstellt am 11.10.2006, um 14:59:11 Uhr