Die Veröffentlichung der aktuellen Studierendenzahlen für das Wintersemester 2007/2008 sorgten Mitte Dezember für großes Aufsehen in der Bundesrepublik. Wurden die negativen Effekte der Studiengebühren doch nun endlich schwarz auf weiß sichtbar. Die Prognosen und Voraussagen der Gegner hatten sich leider nur allzu deutlich bewahrheitet. Rund 32.000 Studierende bundesweit im Vergleich zum letzten Wintersemester, das ist die traurige Bilanz der Einführung allgemeiner Studiengebühren in bislang sieben Bundesländern. Ohne den Anstieg der Studierendenzahlen in den gebührenfreien Bundesländern, der vor allem auf den dortigen immensen Anstieg der StudienanfängerInnenzahlen zurückzuführen ist, würde die Bilanz noch schlechter ausfallen. (In den Gebührenländern studieren im Vergleich zum Vorjahr rund 37.390 Studierende weniger). Viele dieser Zahlen wurden in der bundesweiten Berichterstattung genannt, insbesondere der große Ansturm der Studierwilligen auf die gebührenfreien Hochschulen. Die geschlechterspezifischen Auswirkungen der Gebühren wurden jedoch wieder einmal nicht berücksichtigt. Dabei zeigen die Zahlen des Statistischen Bundesamtes bei genauerem Betrachten, dass Frauen durch Studiengebühren mehr benachteiligt werden als Männer. Zwar ging der Anteil der Studentinnen an der Gesamtstudierenden bundesweit nur leicht um 0,03 Prozent zurück, in den Gebührenländern jedoch exmatrikulierten sich mehr Frauen als Männern (52,54 Prozent). Während in Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland insgesamt 19.854 weniger Studentinnen eingeschrieben waren, gab es nur 17.936 weniger männliche Studierende. Der Rückgang der Studentinnen ist somit deutlicher höher als ihr Anteil an der Gesamtzahl der Studierenden (in den Gebührenländern lag dieser 2006/2007 bei 47,36 Prozent).
Nun kann man entgegenhalten, dass die Zahl der Studienanfängerinnen in den Ländern mit allgemeinen Studiengebühren im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 0,20 Prozent gestiegen ist und Frauen also keineswegs in größerem Maße von der Aufnahme eines Studiums abgehalten werden. Hierauf kann man jedoch erwidern, dass der Anteil der weiblichen Schulabsolventen mit Hochschulzugangsberechtigung weiterhin zunimmt. Darüber hinaus relativiert sich der Anstieg in den Gebührenländern allerdings auch schnell bei einem Blick auf die entsprechenden Statistiken für die gebührenfreien Länder. Die dortigen Hochschulen konnten nämlich zu Beginn dieses Semesters nicht nur insgesamt gesehen mehr junge Frauen begrüßen, sondern auch den Anteil weiblicher Studierender um fast ein Prozent steigern.
All diese Zahlen zeigen, dass Studiengebühren in keinster Weise zum Abbau unserer patriachischen Gesellschaft beitragen, sondern vielmehr zu deren Aufrechterhaltung betragen. Warum haben Frauen von der Ökonomisierung der Bildung noch mehr Nachteile als ihre männlichen Altersgenossen?
Zunächst einmal ist festzustellen, dass Frauen deutlich länger brauchen, um ein Darlehen oder einen Kredit zurückzuzahlen als Männer. Diese Erkenntnis lässt sich aus internationalen Studien gewinnen. In Australien, das nachgelagerte Studiengebühren erhebt, zahlen Männer im Schnitt 17 Jahre zurück, Frauen würden 51 Jahre zurückbezahlen, wenn nicht vorher die Verrentung bzw. ein Schuldenerlass einsetzen würde. Ursache für die längere Rückzahlungsdauer ist vor allem die im Gegensatz zu ihren männlichen Arbeitskollegen noch immer geringer ausfallende Entlohnung bei gleicher Arbeit und Qualifikation. Darüber hinaus wird aufgrund unserer Gesellschaftsstruktur die Kindererziehung weiterhin größten Teils von Frauen geleistet. Während der Zeit der Kindererziehung sind die Frauen nicht oder nur eingeschränkt erwerbstätig – und zahlen Kredite daher nicht zurück.
Diese Perspektive ist für privatwirtschaftlich organisierte Banken, die Gewinnmaximierung zum Ziel haben, wenig attraktiv. Banken werden männliche Studenten bei der Kreditvergabe daher bevorzugen – und Frauen evtl. gar nicht erst aufnehmen oder von Ihnen zumindest deutlich höhere Zinsen nehmen.
Noch deutlicher wird diese Selektion nach der Kreditwürdigkeit bei so genannten Bildungsfonds. Sie unterscheiden sich bezüglich der Organisation erheblich von normalen Krediten: Anleger investieren ihr Geld in einen Fonds und erwarten selbstverständlich eine entsprechende Rendite auf ihr Kapital. Es ist aber auch möglich, dass Unternehmen, Stiftungen oder sogar Hochschulen selbst aus Förderungsgründen in solche Fonds investieren. In diesem Fall erwarten sie vielleicht keiner übermäßig große Rendite, aber sicherlich immerhin Kostenneutralität. Das eingezahlte Geld wird nun an die geförderten Studierenden zur Finanzierung von Studiengebühren und / oder Lebenshaltungskosten ausgezahlt. Die monatliche Auszahlung kann hierbei bis zu einer Höhe von 1.000 Euro reichen, in einigen Fällen wird zusätzlich eine einmalige hohe Auszahlung (bis zu 30.000 Euro) etwa für ein Auslandssemester gezahlt. Nach dem Studienende muss dann entweder ein vorher vereinbarter fixer Betrag oder (meist) ein gewisser Prozentsatz des Einkommens für einen vereinbarten Zeitraum zurückgezahlt werden (Vgl. Deutscher Bundestag 2006: 8 ff.). Anleger, die in diese Fonds investieren, spekulieren natürlich darauf, dass die Rückzahlungen höher sind als das an die Studierenden ausgegebene Geld, denn andernfalls hätte sich die Investition schließlich nicht gelohnt. Um das Ausfallrisiko gering zu halten, kommen nur ausgewählte und besonders ‚begabte’ Studierende in den Genuss dieser Fonds, sie müssen ein ausgefeiltes Bewerbungsverfahren durchlaufen, denn schließlich will man sicher sein, nur in das beste Humankapital zu investieren.
Der Münchner Finanzdienstleister ‚Career Concept’ macht auf seiner Homepage die Intention deutlich: „[…] ein kurzes und fokussiertes Studium gilt immer noch als absoluter Pluspunkt im Bewerbungsgespräch!“ (Bildungsfonds 2006) Es geht in diesen Programmen also darum, ‚begabten’ Studierenden ein zielstrebiges, sorgenfreies und erfolgreiches Studium zu ermöglichen. Alle anderen, aber vor allem Frauen und Studierende mit Kind, bleibt nur noch die Aufnahme eines Darlehens bei der jeweiligen Landesbank.
Doch wenn nur alle diejenigen die nicht von einer privaten Bank gewollt werden, ein Darlehen bei den Landesbanken beantragen, steigt zwangsläufig auch der Darlehenszinssatz. Schon heute liegt er in allen Gebührenländern bei 6 Prozent. Weitere Erhöhungen sind jedoch nicht auszuschließen, sondern durchaus realistisch. Jedes Semester können auch für Studierende, die bereits DarlehensnehmerInnen sind, die Zinsen angehoben und der Schuldenberg somit vergrößert werden. Insbesondere junge Frauen scheint eine solche ungewisse Zukunft abzuschrecken.