„Schnitzeljagd ade! Senatsitzungen müssen öffentlich stattfinden. Was in Köln, Bonn und anderswo passiert ist, war rechtswidrig“, erklärte Jochen Dahm, Geschäftsführer des bundesweiten Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS), heute in Berlin.
Im Auftrag des ABS hat Wilhelm Achelpöhler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht aus Münster und Experte für Hochschulrecht, den Ausschluss der Öffentlichkeit bei Senatssitzungen untersucht. Im Ergebnis hält er sie bei Beratungen zu Studiengebühren für ungerechtfertigt. Die unter Ausschluss der Öffentlichkeit beschlossenen Gebührensatzungen könnten nichtig sein.
In den vergangenen Wochen war im Rahmen von Senatssitzungen zu Studiengebühren in mehreren Hochschulen die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden. Insbesondere in Bonn und Köln war es dabei zu fast filmreifen Verfolgungsjagden gekommen. Im einen Fall fand die Sitzung letztlich auf dem Gelände des Kernforschungszentrums in Jülich, im anderen Fall im militärischen Sperrbezirk in Wachtburg statt.
Die Untersuchung Achelpöhlers bestätigte nun die Auffassung des ABS, dass diese Aktionen ungesetzlich waren. Das ABS kündigte an, gegen die schon beschlossenen Gebührensatzungen zu klagen. Der weitere Ausschluss der Öffentlichkeit bei Senatssitzungen soll verhindert werden.
In Zusammenarbeit mit dem ABS hat sich etwa Marcel Winter, studentisches Mitglied des Senates der Universität Essen-Duisburg, am heutigen Dienstag an seine Hochschule gewandt. Auch hier soll die nächste Sitzung des Senates am kommenden Freitag nicht öffentlich stattfinden. Winter widersprach dem auf Grundlage der Argumentation Achelpöhlers. Sollte die Hochschule bis Mittwoch, 12 Uhr, nicht reagieren, wird er mit Unterstützung des ABS vor dem Verwaltungsgericht auf Erlass einer einstweiligen Anordnung klagen. Den Wortlaut des Anschreibens an den Vorsitzenden des Senates der Universität Duisburg-Essen findet sich im Anhang dieser Meldung.
Für die kommenden Wochen bereitet das ABS auch Klagen gegen die in nichtöffentlichen Sitzungen bereits beschlossenen Gebührensatzungen vor. Teilen die Gerichte die vom ABS vorgetragenen Argumente, wären die so beschlossenen Gebührensatzungen hinfällig. Studiengebühren könnten entsprechend auf ihrer Grundlage nicht erhoben werden.
-------------------------------------------------------------Wortlaut des Anschreiben an den Vorsitzenden des Senates der Uni Duisburg-Essen
Sehr geehrter Herr Prof. Breyvogel,
durch die Einladung des Senatsvorsitzenden der Universität Duisburg Essen vom 14.06.2006 wurde ich zur Sitzung des Senats am Freitag, den 23.06.2006, 09:00 Uhr, eingeladen. Die Sitzung des Senats soll in nichtöffentlicher Sitzung durchgeführt werden. Dies ergibt sich aus der Einladung des Senatsvorsitzenden.
Ich beantrage, die Sitzung nicht als nichtöffentliche Sitzung durchzuführen.
Bitte teilen sie mir umgehend, spätestens aber bis Mittwoch, den 20. Juni 12:00 Uhr telefonisch oder per Email mit, ob sie meinem Antrag stattgeben. Anderenfalls behalte ich mir rechtliche Schritte vor.
Die Nichtöffentlichkeit der Sitzung ist rechtswidrig und verletzt mich in meinen Rechten als Mitglied des Senats. § 17 des Hochschulgesetzes bestimmt grundsätzlich, dass die Hochschulgremien öffentlich Tagen.
Zwar sieht § 17 Hochschulgesetz tatsächlich die Möglichkeit vor, die Öffentlichkeit auszuschließen. § 17 Hochschulgesetz nennt zwar keine Voraussetzungen für den Ausschluss der Öffentlichkeit. Der vom Gesetz festgeschriebene Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit würde allerdings leer laufen, wenn man ohne sachliche Anforderungen die Nichtöffentlichkeit der Sitzung in das Ermessen der jeweiligen Gremien stellen würde.
Deshalb ist auf Sinn und Zweck des Öffentlichkeitsgrundsatzes einerseits und seine im Gesetz zum Ausdruck kommenden Grenzen andererseits abzustellen. Dementsprechend setzt eine Ausschließung der Öffentlichkeit durch Gremienbeschluss voraus, dass eine öffentliche Erörterung und Entscheidung einer konkreten Angelegenheit die nicht bereits dem normativen Ausschluss nach § 17 Abs. 1 Nr. 4 HG unterliegt, den überwiegenden und daher schützenswerten Diskretionsinteressen einzelner zuwider laufen würde.
/Ebenso Hase in: Leutze/ Epping, Hochschulgesetz NRW, 2. Ergänzungslieferung, § 17, Rn. 8/
Ein irgendwie geartetes Diskretionsinteresse liegt in diesem Sinne nicht vor. Ganz im Gegenteil, die behandelnden Fragen berühren das Interesse der Hochschulöffentlichkeit in besonderer Weise.
Eine Nichtöffentlichkeit der Sitzung ließe sich auch nicht dadurch rechtfertigen, dass damit Störungen einzelner vorgebeugt werden sollte. Störungen durch einzelne Besucher einer Sitzung können nicht zum Anlass genommen werden, den übrigen Besuchern den Besuch der Sitzung nicht zu ermöglichen. Denn sonst stünde die Öffentlichkeit der Sitzungen von Hochschulgremien zur Disposition von Einzelnen. Schließlich setzt der Ausschluss der Öffentlichkeit auch voraus, dass im Hinblick auf die Sitzung am 23.06.2006 derartige Störungen überhaupt zu besorgen wären. Dafür bedürfte es konkrete Anhaltspunkte, die gegenwärtig nicht ersichtlich sind.
Im Gegenteil hat der „AK gegen Studiengebühren“ an der Uni-Essen Duisburg in einem offener Brief an den Senatsvorsitzenden Prof. Dr. W. Breyvogel explizit erklärt:
„Im Gegenzug [für das dort vorgeschlagene Verfahren] versprechen wir Ihnen, uns bei den Sitzungen möglichst ruhig zu verhalten und diese nicht zu sprengen. Wir werden den Diskussionsprozess zwischen den Angehörigen unserer Universität nicht unterbinden.“
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Öffentlichkeit in der Sitzung von Hochschulgremien nicht nur im Interesse der Hochschulöffentlichkeit angeordnet ist, sondern auch im Interesse der Mitglieder der Hochschulgremien. Insoweit kann die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen zur Öffentlichkeit von Ratssitzungen herangezogen werden.
/Vgl. etwa: Urteil des OVG NW vom 24.04.2001, Az.: 15 A 3021/97/
Das Oberverwaltungsgericht stellt in dieser Entscheidung darauf ab, dass die Regelungen über die Sitzungsöffentlichkeit insbesondere auch dazu dienen, das Interesse der Vertretenden an den im Gremium verhandelten Gegenständen zu fördern, und ihnen die Möglichkeit der Kontrolle und letztlich auch die Möglichkeit der Einflussnahme auf das dort verhandelte Geschehen zu geben. Damit einher geht das Interesse der Mitglieder dieser Gremien, die von ihnen vertretenen Auffassungen bekannt zu machen, um auf den Meinungsbildungsprozess der Vertretenden Einfluss zu nehmen. Deshalb stellt mithin die Nichtöffentlichkeit der Sitzung am 23.06.2006 nicht nur eine Verletzung der Hochschulöffentlichkeit, sondern auch aller Mitglieder des Senats selbst dar.
Mit freundlichen Grüßen
Marcel Winter