Studiengebühren – seit Jahren ein heiß diskutiertes Thema. In jüngster Zeit lassen sich auf dem Feld der politischen Auseinandersetzung Geländegewinne der BefürworterInnen verzeichnen. Daran konnten auch die gewaltigen studentischen Streiks 1997 bundesweit bzw. 2002/03 in verschiedenen Bundesländern sowie zahlreiche Protestaktionen im Jahr 2004 nichts ändern. Noch im Laufe des Jahres 1998 und keineswegs zufällig im Bundestagswahlkampf präsentierten sich SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS als klare GebührengegnerInnen, während sich CDU/CSU und FDP merklich zurückhielten. Inzwischen sprechen sich zahlreiche UnionspolitikerInnen offen für Studiengebühren aus, etwa der bayerische Wissenschaftsminister Thomas Goppel und sein baden-württembergischer Kollege Peter Frankenberg. Zu den agilsten Gebührenbefürwortern gehört zudem der parteilose Hamburger Wissenschaftssenator Jörg Dräger. Aber auch bei der SPD gibt es etwa mit dem thüringischen Politiker und ehemaligen Staatssekretär im Bundesbildungsministerium Christoph Matschie BefürworterInnen genereller Studiengebühren.
Immer häufiger finden sich zudem Aussagen wie die folgende von Hans-Olaf Henkel, ehemaliger Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI): »Mehr als 20 Jahre sind nun alle Argumente hin und her gewälzt worden. Brauchbare Modelle liegen längst auf dem Tisch, vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft ebenso wie von Bündnis 90/Die Grünen. Die Mehrheit der Bevölkerung ist lange dafür – übrigens auch die Mehrheit der Studenten. Wann handeln die verantwortlichen Politiker endlich?« (Welt am Sonntag, 30. Mai 1999) Dieses Zitat illustriert die eine Ebene der Auseinandersetzung um Studiengebühren: Gemäß den Spielregeln des politischen Lobbyismus soll mit inhaltlichen Nullaussagen Handlungsdruck suggeriert werden. Doch auch die andere Ebene wird angeschnitten – nach Auffassung von Henkel hätten sich die Argumente pro Studiengebühren als überlegen erwiesen. Genau um diese Argumente geht es in der vorliegenden Broschüre. Das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS) hat es sich hier zur Aufgabe gestellt, die zentralen, immer wieder ins Feld geführten Begründungen einer kritischen Reflexion zu unterziehen. Über die Auseinandersetzung mit einzelnen Argumenten hinaus legt das ABS besonderen Wert auf die notwendige Erweiterung des Blickfeldes der Studiengebührendiskussion.
Diese Debatte, wie sie in den meisten Medien, Parteien und Verbänden geführt wird, leidet unter technokratisch-juristischen Verkürzungen, so dass die eigentlichen gesellschafts- und bildungspolitischen Kernfragen – etwa: marktgesteuertes oder politisch verfasstes Bildungssystem? – überhaupt nicht thematisiert werden. In einem solchen Kontext fällt es verhältnismäßig leicht, Gebühren als bloße Anpassung an internationale Trends zu verkaufen und schließlich sogar die Existenz »sozialverträglicher« Gebührenmodelle zu behaupten. Zu beiden Punkten wird in dieser Broschüre Stellung bezogen. Die entsprechenden Passagen verdeutlichen, in welchem Maße es vonnöten ist, die ideologischen Prämissen der Pro-Gebühren-Aussagen zu analysieren und gerade auf dieser Ebene klar Position zu beziehen. Im Ergebnis kommt das ABS zu dem Schluss, dass keine der zentralen Begründungen, die für die Einführung von Studiengebühren immer wieder ins Feld geführt werden, einer näheren Überprüfung standhält.
Seit Erscheinen der ersten Auflage der vorliegenden Broschüre im Oktober 1999 haben die StudiengebührenbefürworterInnen ihren Aktionsradius nach dem Motto »Wir überschwemmen die Hochschulpolitik mit Gebührenmodellen, bis alle den Überblick verlieren und die Einführung von Studiengebühren unausweichlich erscheint« ausgebaut. Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) hat ebenso ein Gebührenkonzept erarbeitet wie die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Es gab zudem eine Welle von Ankündigungen der LandesministerInnen, Studiengebühren in verschiedensten Formen einführen zu wollen. Seien es die klassischen Langzeitstudiengebühren (Niedersachsen, Baden-Württemberg, Saarland...), Studienkontenmodelle (Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen) oder so genannte nachlaufende Studiengebühren (Baden-Württemberg, CDU NRW, TU München). Die Debatte hat sich ausgeweitet, auch Dank des Engagements des ABS, doch die Prämissen in der Diskussion um die Einführung von Studiengebühren sind dieselben geblieben. Daher haben wir uns entschlossen, die Broschüre »Argumente gegen Studiengebühren« in einer aktualisierten Fassung herauszugeben. Der speziellen Fragestellung der so genannte Langzeitstudiengebühren und der Bildungsgutscheinmodelle ist das ABS in separaten Broschüren nachgegangen, die als Ergänzung zur vorliegenden Auseinendersetzung mit den generellen Gebühren empfohlen seien (Vgl. ABS 2003, ABS 2005).