von Lars Schewe
Schon seit einiger Zeit wird in der Diskussion um Studiengebühren eine Variante ins Spiel gebracht, die angeblich alle Bedenken entkräften soll: „nachlaufende“ Studiengebühren. Als großes Vorbild wird Australien genannt, wo diese Form der Studiengebühren niemanden vom Hochschulzugang abgeschreckt und die Finanzausstattung der Hochschulen deutlich verbessert hätte. Aber was unterscheidet nun „nachlaufende“ Gebühren von anderen Systemen, und was sagen die australischen Erfahrungen wirklich?
Nachlaufende Gebühren – ein paar Missverständnisse
Wenn man sich die Debatte um nachlaufende Studiengebühren ansieht, stellt man fest, dass sich hinter diesem Begriff die verschiedensten Dinge verbergen können. Manchmal handelt es sich einfach um die Möglichkeit ein Darlehen aufzunehmen, welches die Studiengebühren übernimmt. Die Rückzahlung wird manchmal erst ab einem bestimmten Einkommen fällig.
Das australische Modell, genannt HECS, sieht grob so aus: Die Hochschulen erheben Studiengebühren. Für die Mehrheit der Studienplätze übernimmt der Staat diese und schreibt den StudentInnen eine gewisse Summe an. Die StudentInnen können nun wählen, ob sie dieses Geld sofort (mit einem Abschlag) zahlen, oder ob sie es erst später mit ihren Steuern verrechnet haben wollen. Wählen sie die zweite Variante, werden ihre Gebühren mit der Inflation indexiert, und sobald sie eine gewisse Einkommensgrenze überschritten haben, zu einem gewissen Anteil auf ihre Steuerschuld angerechnet.
Die ErfinderInnen legen dabei Wert darauf, dass es sich nicht um ein Darlehen handelt, sondern um einen Steueraufschlag. Insbesondere tauchen die HECS-"Schulden" nicht bei Organisationen auf, die unserer SchuFa entsprechen. Dieser letzte Punkt ist den australischen BefürworterInnen dieses Modells auch sehr wichtig. Sie glauben, dass so der Abschreckungseffekt, den eine hohe Verschuldung mit sich bringt, ausbleibt. Dies ist vor allem unter dem Aspekt zu betrachten, dass diese Schulden vor allem die Menschen abschrecken, die aus benachteiligten Elternhäusern kommen.
Die Debatte in der BRD ist hier von einer bemerkenswerten Ignoranz gekennzeichnet, da hier die verschiedenen Modelle der Rückzahlung wie wild durcheinander geworfen werden. Die Diskussion über die Abschreckungswirkung einer hohen Verschuldung scheint hier noch nicht ausreichend angekommen zu sein.
Australien: Gebühren als Kompensation staatlicher Kürzungen
In Australien passiert aber nun etwas, bei dem allen GebührenbefürworterInnen in Deutschland ganz warm ums Herz wird: Die Gebühren kommen den Hochschulen direkt zu Gute und sind von deren StudentInnenzahlen abhängig. Wenn wir aber nun hier nicht innehalten, sondern genauer schauen, wie es den Hochschulen geht, so stellen wir fest, dass die Finanzsituation der australischen Hochschulen nicht besser geworden ist. Die staatliche Finanzierung hat sich deutlich reduziert oder, wie es die HochschullehrerInnengewerkschaft und der nationale StudentInnenverband ausdrücken: „Students pay more, universities get less, the government pockets the difference.“ Das heißt, hier fallen staatliche Zuschüsse weg und werden durch Studiengebühren ersetzt.
Wem nützt es?
Die Debatte um nachlaufende Studiengebühren hat in Deutschland vor allem eine Türöffnerfunktion. Nachdem die BefürworterInnen von Studiengebühren feststellen mussten, dass diese nicht weithin akzeptiert werden, soll eine Differenzierung in „gute“ und „böse“ Studiengebühren weiterhelfen. Die Rolle der guten Studiengebühren übernehmen hierbei „nachlaufende Studiengebühren, die den Hochschulen zu Gute kommen“.
Aus dem Beispiel Australien können wir lernen, dass die Einführung nachlaufender Studiengebühren vor allem den Länderregierungen zu Gute kommen wird. Sie werden weniger Geld in die Hochschulen investieren müssen. Offen hingegen bleibt, wieso gerade die HochschulrektorInnen sich so vehement für Studiengebühren aussprechen. Denn gerade die
Hochschulen werden ja finanziell nicht besser gestellt, wenn Studiengebühren eingeführt werden. Nun vertreten aber die HochschulrektorInnen nicht unbedingt die Interessen der Hochschulen, und vor diesem Hintergrund sieht die Situation anders aus: Mit einer Reduktion der staatlichen Mittel und einer Einführung von Studiengebühren wird unter den jetzigen Hochschulgesetzen vor allem der Spielraum der RektorInnen größer. Polemisch formuliert: Die RektorInnen erkaufen sich mit dem Geld der StudentInnen ihre Autonomie.
Vor dem Hintergrund dieser Debatte ist klar, dass die Diskussion, ob Gebühren nachlaufend erhoben werden oder nicht, relativ unwichtig ist. Es geht darum, die Finanzierung der Hochschulen vom Staat auf Private zu verlagern. Und damit müssen wir fragen, wozu Hochschulen gut sein sollen, denn daraus würde sich auch ergeben, wer sie finanziert. Doch diese Frage wird nicht so diskutiert, es werden Fakten geschaffen, auch durch nachlaufende Studiengebühren.
Lars Schewe war Vorstandsmitglied des freien zusammenschlusses von studentInnenschaften (fzs) und promoviert in Darmstadt.