04.07.2002
NRW-Landesregierung: Lug, Betrug und Nebelkerzen
Zur Einführung von Studiengebühren in NRW erklärt Markus Struben, NRW-Landeskoordinator des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren (ABS):
"Nordrhein-Westfalen wird zum teuersten Gebühren-Land in Deutschland: Kein anderes Bundesland verlangt mehr Studiengebühren als das rot-grün regierte NRW. Öffentliche Erklärungen der Landesregierung sowie von VertreterInnen von SPD und Grünen sind von Lug, Betrug und Nebelkerzen gekennzeichnet:
1. Das Erststudium bleibt nicht gebührenfrei.
Die Behauptung der Landesregierung, das Erststudium bliebe gebührenfrei, ist eine dreiste Lüge: Über 150.000 der ca. 500.000 StudentInnen befinden sich im 15. Semester oder darüber. Ihre Studienabschlussphase wird durch die geplanten Strafgebühren gefährdet. Wie in Baden-Württemberg werden viele Menschen ihr Erststudium abbrechen, statt zügig ihren Abschluss zu machen.
2. Darlehen sind keine soziale Abfederung
Wer mit ‚zinsgünstigen Darlehen' zur Begleichung von Studiengegbühren wirbt, verschweigt, dass dadurch junge AkademikerInnen - neben BAföG-Rückzahlungen - mit Schulden ins Berufsleben oder aber auch in die Arbeitslosigkeit starten.
3. Ausnahmen für BAföG-EmpfängerInnen und Frauenbeauftragte: Nebelkerze
Die BAföG-Förderung endet im Normalfall mit dem Erreichen der Regelstudienzeit. In Sonderfällen kann die Förderungsdauer um bis zu vier Semester verlängert werden. Erst dann aber setzt die Gebührenpflicht ein. Nur in extremen Ausnahmefällen ist noch eine spätere Förderung möglich. In Baden-Württemberg, wo es eine vergleichbare Regelung gibt, ist nur ein einziger Fall eines ‚Langzeitstudenten' mit Gebührenbefreiung aus diesem Grund bekannt. Auch das Kölner Studentenwerk, das knapp ein Fünftel aller StudentInnen in NRW betreut, hat keinen einzigen solchen Fall.
Studentische Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte, die ebenfalls von Gebühren ausgenommen werden soll, gibt es in etwa fünf bis zehn Fällen in NRW.
4. LangzeitstudentInnen sind keine ‚FaulenzerInnen'
Der Großteil der StudentInnen, die die Regelstudienzeit um mehrere Semester überschreiten, sind ehemalige BAföG-EmpfängerInnen und Menschen aus finanziell schlechter gestellten Familien. Aufgrund unzureichender Studienfianzierung sind zwei Drittel aller StudentInnen auf Nebenjobs angewiesen, die das Studium verlängern - insbesondere dann, wenn ihre Familien nicht finanziell einspringen können.
5. Studiengebühren fließen in den Landeshaushalt
2003 und 2004 fließen die Einnahmen komplett in den Landeshaushalt, 2005 zur Hälfte und erst ab 2006 komplett in den Bildungsetat. Allerdings ist derzeit nicht die Rede davon, dass die Gelder zusätzlich in die Hochschulen fließen werden, sondern dass mit Ablauf des so genannten Qualitätspakts im Jahr 2004 weitere Finanzmittel insbesondere im Personalbereich gekürzt werden. Diese würden dann durch die Gebühreneinnahmen im günstigsten Fall lediglich ausgeglichen werden, nicht aber zur Verbesserung der mangelhaften Ausstattung der Hochschulen beitragen.
6. Politikwechsel notwendig
Wir brauchen einen Politikwechsel. Landes- und Bundesregierung verschärfen die Situation von finanziell schlechter gestellten Menschen und überhäufen Besserverdienende und Unternehmen mit Steuergeschenken. Gesundheit, Bildung und soziale Sicherung dürfen nicht nur Menschen mit hohen Einkünften zur Verfügung stehen.
Das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren wird den Bundestagswahlkampf mit einer bundesweiten Kampagne gegen Bildungs- und Sozialabbau begleiten und insbesondere SPD und Grüne an ihre Wahlversprechen einer grundlegenden BAföG-Reform und eines allgemeinen Studiengebührenverbots erinnern."