05.09.2002
Studiengebühren in NRW ablehnen!
Offener Brief an die Landtagsabgeordneten in Nordrhein-Westfalen
Am 10. September entscheidet der Landtag NRW in erster Lesung über die Einführung von Studiengebühren in Nordrhein-Westfalen. Wir bitten Sie, die vorgelegten Gesetzesentwürfe abzulehnen.
StudentInnen, die ein Zweitstudium belegen, das 60. Lebensjahr oder die so genannte Regelstudienzeit um drei bzw. vier Semester überschritten haben, sollen dann 650 Euro pro Semester aufbringen.
Weit über 150.000 der 500.000 StudentInnen in NRW sollen so zur Kasse gebeten werden, um - so MSWF-Staatssekretär Hartmut Krebs bei einem Besuch an der Universität Köln - einen "Solidarbeitrag für den Landeshaushalt zu leisten".
Die angeblich großzügigen Ausnahmeregelungen sind nicht annähernd in der Lage, einen soziale "Abfederung" zu schaffen. StudentInnen, die in akademischen oder studentischen Gremien arbeiten, erhalten für ihre oft jahrelange Arbeit einen maximalen Aufschub von zwei Semestern, studentische Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte gibt es etwa fünf bis zehn in ganz NRW, betroffene BAföG-EmpfängerInnen nach Angaben verschiedener StudentInnenwerke überhaupt keine. Auch StudentInnen, die Kinder erziehen, haben sehr unterschiedliche Studienbelastungen, die sich kaum von den vorgeschlagenen Ausnahmeregelungen adäquat erfassen lassen.
Studiengebühren durch zinsgünstige Kredite zu finanzieren, ist angesichts der bereits bestehenden BAföG-Schulden vieler Betroffenen ein unseriöser Vorschlag.
Des Weiteren fehlen in den vorliegenden Gesetzesentwürfen der Landesregierung jegliche Übergangsregelungen für StudentInnen, die ihr Studium vor Inkrafttreten des Gesetzes begonnen haben.
Der geplante Übergang zu einem Studienkontenmodell, das die Strafgebühren in erster Linie neu berechnet und umbenennt, ist in hohem Maße undemokratisch: Der Landtag soll hier seine Gesetzgebungskompetenz an das Bildungsministerium abtreten, das freie Hand bekommt, das grob skizzierte Modell umzusetzen.
Studiengebühren und -konten treffen StudentInnen vor allem in der ohnehin finanziell schwierigen Studienabschlussphase. Wie in Baden-Württemberg oder anderen Ländern und Staaten werden Gebühren nicht zu einem zügigen Studienabschluss, sondern zu früheren und häufigeren Studienabbrüchen führen.
In den letzen zehn Jahren hat sich das durchschnittliche Studienabschlussalter um etwa ein Jahr erhöht, was angesichts immer zahlreicher werdenden StudienanfängerInnen mit abgeschlossener Berufsausbildung, aber auch der sich stetig verschlechternden Studienbedingungen, wenig verwundern kann.
Das Problem der Hochschulen sind keine angeblich schmarotzenden Langzeit- und ZweitstudiumsstudentInnen! Das gesamte Bildungssystem vom Kindergarten bis zur Weiterbildung braucht vor allem ausreichende Finanzmittel, mehr und besser ausgebildetes Personal, demokratische Strukturen und eine angemessene finanzielle Unterstützung der BildungsteilnehmerInnen.
Lehnen Sie die von der Landesregierung vorgelegte Gesetzesentwürfe zur Einführung von Studiengebühren ab! Damit wäre ein erster Schritt zu einem solidarischen und demokratischen Bildungssystem getan, auf den weitere folgen müssen.