18.05.2005
Protest gegen „Sozialraub“
Kölnische Rundschau, 14.05.05
Mit Trillerpfeifen, Fahrradklingeln, Rasseln und einer Trommel demonstrierten mehr als 2500 Studierende aus Köln und anderen Städten gestern bei ihrem Marsch von der Universität zum Heumarkt lautstark gegen Studiengebühren. Am Neumarkt setzten sich etliche gegen 13.30 Uhr auf die Schienen und blockierten mehr als zehn Minuten lang öffentliche Verkehrsmittel. Mit Sprechchören wie „Solidarisieren, mitmarschieren“ und „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Zukunft klaut“ machten sie auf ihr Anliegen aufmerksam.
Wie der 23 Jahre alte Till, der Volkswirtschaft und Politik studiert, hatten etliche beim Zeltlager auf den Wiesen zwischen Uni-Hauptgebäude und Mensa am Vortag bei einem Workshop Transparente geschrieben. „Rund 300 Leute waren da und haben lange über Politik und die Auswirkung von Studiengebühren mitdiskutiert.“ Etwa 80 harrten in der Nacht in den knapp 40 Zelten aus, obwohl es, wie Till fand, „saukalt“ war. Die Zelte zeigten, wie Studierende wohnen müssen, wenn sie für Miete kein Geld mehr haben.
Andere, wie die 22 Jahre alte Sozialpädagogik-Studentin Pia, hatten sich spontan am Mittag dem Tross angeschlossen. „Ich bin im zweiten Semester und zahle 270 Euro im Monat Miete. Wenn ich Studiengebühren zahlen muss oder gar das Bafög abgeschafft wird, ist Ende.“ Neben ihr ging Susann, 22 Jahre alt, viertes Semester Sozialarbeit. „Ich zahle in meiner Zweier-WG sogar 375 Euro im Monat. Ich habe heute vorlesungsfrei, aber das hier ist wichtig.“
Die beiden Mädchen folgten der heiseren Stimme von Daniel Weber, dem Bildungspolitikreferent des Allgemeinen Studierenden Ausschusses (AStA) an der Kölner Uni. Er stand auf dem AStA-LKW und informierte Passanten per Lautsprecher. Ab 14.30 Uhr mündete der Tross in ein Konzert dreier Bands auf dem Heumarkt. Per Megaphon hörte die Masse noch einmal Erklärungen. AStA-Vorsitzender Dirk Hagenhoff: „Studiengebühren in jeglicher Form selektieren sozial“.
Der Personalratsvorsitzende Udo Walz beklagte Einsparungen an der Ausstattung und den vom Land verweigerten Tarifvertrag. Er warnte davor, Politikern zu glauben und forderte: „Wenn Euch was im Hals stecken bleibt, dann spuckt es aus und schreit, so wie ihr es getan habt!“
Klemens Himpel vom Bund demokratischer Wissenschaftler kritisierte scharf die von Rot / Grün beschlossenen Studienkonten. 15 000 stünden „wegen dieser asozialen Politik“ alleine in Köln ohne Abschluss auf der Straße. „Wer wie Rüttgers Rückzahlungsmodelle fordert, hat nichts verstanden.“ Das Bildungsniveau sinke bereits. Bestätigung empfand auch Ernest Hammerschmidt vom Aktionsbündnis gegen Studiengebühren angesichts der Teilnehmer - obwohl sie beileibe die Erwartungen verfehlten: 10 000 waren bei der Polizei angemeldet worden, wie Einsatzleiter Wolfgang Elbracht sagte. Köln hat etwa 70 000 Studierende.
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