Friedlicher Protest gegen Studiengebühren im Haus von Wissenschaftsminister Udo Corts
WIESBADEN (Chr/dpa) Die Proteste gegen die in Hessen vom Herbst 2007 an geplanten Studiengebühren reißen nicht ab. Eine Woche nach der Großdemonstration in Wiesbaden besetzten gestern rund 60 Studenten kurzfristig das Wissenschaftsministerium in der Rheinstraße.
Gegen 8.30 Uhr waren die aus ganz Hessen angereisten Studenten vor dem Ministerium erschienen und durch eine offen stehende Tür ins Haus gelangt, obwohl ihnen eigentlich der Zutritt verwehrt werden sollte. Wissenschaftsminister Udo Corts, der auf dem Weg zu einem Termin in Kassel war, wurde von seinen Mitarbeitern über die Aktion informiert und erteilte per Telefon die Genehmigung, dass die Demonstranten im Ministerium eine Pressekonferenz abhalten.
In Anwesenheit von einigen Abteilungsleitern erklärten die Studenten dann noch einmal, warum sie Studiengebühren, die zwischen 500 und 1500 Euro pro Semester liegen sollen, ablehnen. Gleichzeitig legten sie einen alternativen Gesetzentwurf vor, in dem es heißt: "Das Wissenschaftsministerium hat seit dem 5. Juli 2006 zum Schutz der hessischen Verfassung und zur sozial gerechten Bildungsgestaltung eine neue Interimsbesetzung." In dem Schreiben, das in Layout und Schrift den Gesetzentwürfen der Landesregierung sehr treffend nachempfunden war, wird jegliche Form von Studien- und Schulgebühren abgelehnt. Zur Finanzierung des Bildungsbereichs soll das Land Hessen eine Vermögenssteuer mit einem Steuersatz von einem Prozent und einem Freibetrag von 500 000 Euro erheben. Der tatsächliche Gesetzentwurf über die "Einführung von Studienbeiträgen" wird in erster Lesung in der kommenden Woche das Parlament beschäftigen.
Dass es während der gut zweistündigen Besetzung des Ministeriums friedlich blieb, lag an der Zurückhaltung der Polizei, die den Demonstranten versicherte, ihre Personalien würden nicht aufgenommen, wenn sie freiwillig und ohne Straßenblockade abzögen. Es lag aber auch an den Studenten, die dazu aufriefen, keine Gewalt gegen Menschen oder Dinge anzuwenden. Das Ministerium solle nicht beschädigt werden. Selbst im Fall einer Räumung durch die Polizei solle ausschließlich passiver Widerstand geleistet werden.
Die Besetzer ernteten sogar Lob der Polizei, als sie im Anschluss an die Pressekonferenz nicht nur ihre Stühle aus der Halle an den ursprünglichen Standort zurücktrugen, sondern auch die zuvor von ihnen angebrachten Transparente entfernten. Bei so viel Friedfertigkeit verzichtete dann auch das Ministerium auf Anzeigen wegen Hausfriedensbruch. Mit dem seit Wochen erprobten Spruch "Wir sind hier und wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut", verließen die Demonstranten fernsehgerecht das Ministerium und erklärten die Besetzung für beendet.
Mehrere tausend Studenten, Schüler und Gewerkschafter wollen heute in Frankfurt gegen die geplanten Studiengebühren in Hessen demonstrieren. Zu dem Protest werden mindestens 5 000 Teilnehmer aus ganz Deutschland erwartet. Geplant ist ein Sternmarsch in die Frankfurter Innenstadt.